Holz kann elektrische Spannung erzeugen

Ein Artikel von Redaktion | 08.04.2021 - 08:28

Dass Holz ein überraschend vielseitiger Werkstoff ist, hat das Team um Ingo Burgert an der ETH Zürich und der Empa schon öfter gezeigt. In seinen Arbeiten geht es dem Professor für holzbasierte Materialien oft darum, die vorhandenen Eigenschaften von Holz zu erweitern, damit es sich für neue Anwendungen eignet. So entstand beispielsweise bereits überaus festes, wasserabweisendes oder magnetisierbares Holz. Nun hat Burgerts Team gemeinsam mit der Empa-Forschungsgruppe um Francis Schwarze je ein chemisches und ein biologisches Verfahren eingesetzt, um elektrische Spannung in einer Art Holzschwamm zu erzeugen. Dabei verstärken sie den sogenannten piezoelektrischen Effekt von Holz.

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Schon wenig Druck kann im Holzschwamm eine elektrische Spannung erzeugen. © ACS Nano / Empa

Kompression generiert elektrische Spannung

Wird ein piezoelektrisches Material elastisch verformt, erzeugt es eine elektrische Spannung. Dieses Phänomen macht sich vor allem die Messtechnik zunutze, indem sie Sensoren verwendet, die bei mechanischer Belastung ein Ladungssignal erzeugen. Auch Holz besitzt einen natürlichen piezoelektrischen Effekt, allerdings entsteht nur eine sehr geringe elektrische Spannung. Will man die erzeugte Spannung erhöhen, muss die chemische Zusammensetzung des Holzes geändert werden, wodurch es auch komprimierbarer wird.

Aus Holzklotz wird Schwamm

Um Holz in ein leicht verformbares Material umzuwandeln, kann man eine Komponente der Zellwände herauslösen. Holzzellwände bestehen aus drei Grundstoffen: Lignin, Hemizellulose und Zellulose. „Das Lignin ist der stabilisierende Stoff, den Bäume benötigen, um weit in die Höhe wachsen zu können. Ohne Lignin, das die Zellen verbindet und verhindert, dass die zugsteifen Zellulosefibrillen ausknicken, wäre das nicht möglich“, weiss Burgert. Eine sogenannte Delignifizierung erreichten die Forscher, indem sie das Holz in eine Mischung aus Wasserstoffperoxid und Essigsäure einlegten. Die Säure löst das Lignin heraus. Übrig bleibt ein Gerüst aus Zelluloseschichten. „Wir machen uns die hierarchische Struktur des Holzes zunutze, ohne sie, wie etwa bei der Papierherstellung, zuerst ganz aufzulösen und die Fasern anschliessend wieder verbinden zu müssen“, erklärt Burgert. Aus einem Stück Balsaholz wird so ein weisser Holzschwamm, der aus übereinanderliegenden, dünnen Zelluloseschichten besteht. Der Holzschwamm erzeugt eine um das 85-fach gesteigerte elektrische Spannung im Vergleich zu nativem Holz. 

Ein Mini-Generator im Holzboden

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Wenn das stabilisierende Lignin aus dem Balsaholz entfernt wird, bleiben flexible Zelluloseschichten zurück (Mitte). Durch Kompression entsteht eine elektrische Spannung. © ACS Nano / Empa

Das Team unterzog einen Testwürfel mit einer Seitenlänge von etwa 1,5 cm rund 600 Belastungszyklen. Dabei zeigte sich der Holzschwamm als erstaunlich beständig: Bei jeder Belastung konnten die Forscher eine Spannung von rund 0.63 Volt messen, was für eine Anwendung als Sensor brauchbar wäre. In weiteren Experimenten lotete das Team die Skalierbarkeit dieses Mini-Generators aus. Werden 30 solcher Holzklötzchen miteinander verbunden und gleichmässig mit dem Körpergewicht eines Erwachsenen belastet, lässt sich damit bereits ein einfaches LCD-Display betreiben.

Behandlung mit Pilz statt Chemie

Um den Holzschwamm ohne Chemikalien herzustellen kann der Pilz Ganoderma applanatum genutzt werden. Er erzeugt Weissfäule im Holz und baut das Lignin und die Hemizellulose besonders schonend ab. Die Vorteile eines so simplen und nachwachsenden piezoelektrischen Systems liegen auf der Hand. Als mögliche zukünftige Anwendungen der Holzschwämme sehen die Forschenden etwa nachhaltige Baumaterialien, die in der Nutzungsphase Energie erzeugen, oder hautverträgliche Drucksensoren im medizinischen Bereich. Bis das Piezo-Holz aber effektiv als Biosensor oder gar als stromerzeugender Parkettboden zum Einsatz kommt, sind aber noch einige Schritte zu tun. Um die Technologie für industrielle Anwendungen zu adaptieren, sind Burgert und seine Kollegen bereits mit möglichen Kooperationspartnern im Gespräch.

Quelle: ETH Zürich