„Unvollständige CE-Kennzeichnung ist kein Mangel“

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 06.06.2025 - 08:16
Portrait_BerndHaintz.jpg

Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

ur Erinnerung: Ursprünglich bestellte der Kläger für sein Gasthaus die Lieferung und Montage von Türen. Es war vereinbart, dass die Türen für einen Gaststättenbetrieb geeignet sein müssen. Hier gibt es laut einschlägiger ÖNORM die Anforderungsklasse 6, dass nämlich Türen dieser Klasse nach 200.000 Zyklen des Öffnens und Schließens noch alleine durch den Türschließer schließen müssen. Tatsächlich gab es nur einen Nachweis für die Klasse 5 (100.000 Zyklen). Damit wollte der Käufer dieser Türen nichts mehr von diesen wissen und bestand auf deren Ausbau. 

Auch wenn es zwar im konkreten Fall eine CE-Kennzeichnung gab, so beinhaltete diese für besagte Türen  nicht die Eignung nach Klasse 6. Wohl von einem Sachverständigengutachten ableitend, fand sich im Urteil die Aussage, dass dennoch „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ die erforderliche Eignung vorläge. Dem Gericht war dies keine hinreichend deutliche Einschätzung, denn man vereinbarte ja keine Türen mit (nur) hoher Eignungswahrscheinlichkeit.  Aus diesem Grund wurde wieder zurück an die erste Instanz verwiesen. Aufgabe dort sollte sein, festzustellen ob diese Türen nun geeignet sind  oder mangelhaft.  Diesen Beweis hat derjenige zu erbringen, hier der Käufer, der den Mangel behauptet. Nur dass die Kennzeichnung unzureichend war, bedeutete für das Höchstgericht noch keinen Mangel an sich. Damit endete der erste erfolglose Gang zum Höchstgericht. Nun zwei Jahre später war man wieder in derselben Sache beim OGH angelangt. Und wiederum verlor der klagende Käufer der Türen. Es stellte sich im zweiten Rechtsgang heraus, dass – technisch betrachtet – die Türen nicht zu bemängeln waren.

Aber der klagende Besteller brachte nun zusätzlich vor, dass eine Aufklärungspflicht des Händlers darüber bestanden hätte, dass das Produkt vom Hersteller nicht, als in der erforderlichen Anwendungsklasse geeignet deklariert worden war. Seiner Meinung nach hätte er explizit auf diese Unzulänglichkeit hingewiesen werden müssen, was aber unterblieb. 

Neuerlich wurde vom Obersten Gericht festgestellt, dass es nur auf die tatsächliche Vereinbarung über die entsprechende Qualität der Türen ankommt. Die zwischen den Streitteilen vereinbarte Eignung als Gasthaustüren ist dann gegeben, wenn die Türen nicht nur die Voraussetzungen der vom Hersteller angegebenen Funktionsklasse 5, sondern auch die doppelt so hohen Anforderungen der Klasse 6 tatsächlich erfüllt hätten.           

Im zweiten Rechtsgang wurde eindeutig, wahrscheinlich durch ein Gutachten, festgestellt, dass die Türen eben diese Qualitätsanforderungen der Klasse 6 für Gaststättentüren erfüllen. Wieder wird im Urteil klargemacht, dass eine CE-Kennzeichnung keine Aussage über die Qualität des Bauprodukts enthält, sondern lediglich eine Leistungserklärung des Herstellers darstellt, die verspricht, welchen Anforderungen das Produkt generell gerecht wird. Ein aufgreifbarer Mangel der fehlenden Kennzeichnung  kommt bei Bauprodukten  nur dann in Betracht, wenn eine solche explizit im Vertrag vereinbart wurde. Dies war aber hier nicht der Fall. 

Es besteht grundsätzlich auch keine allgemeine Pflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entscheidung Einfluss haben könnten. Dies ist nur dann erforderlich, wenn nach den „Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs“ eine Aufklärung erwarten werden durfte. Unter Unternehmern sind hier lediglich  geringe Aufklärungspflichten erwartbar. Die CE-Kennzeichnung war nie ein Thema in den Verkaufsgesprächen, daher – wie hätte der Verkäufer ahnen können, dass dem Kunden nicht die tatsächliche  Eignung, sondern die Kennzeichnung selbst wichtig war. Konkrete Umstände dafür sahen die Höchstrichter in den Akten nicht.

Nur weil sich Händler laut Gesetz, bevor sie ein Bauprodukt auf dem Markt bereitstellen, zu vergewissern haben, dass das Produkt, mit der CE-Kennzeichnung versehen ist, gibt es auch keinen Aufklärungsanspruch des Kunden über ein Fehlen oder eine Unvollständigkeit.