Die Chancen in der Krise erkennen

Ein Artikel von Raphael Zeman | 20.07.2021 - 08:32
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Robert Böhm, Landesinnungsmeister Wien © Foto Weinwurm

[Dieser Beitrag erschien zuerst in der Printausgabe am 02.07.21, Anm.]

In der Steiermark haben sich die Preise in den einzelnen Produktgruppen unterschiedlich entwickelt, bei KVH und BSH kann man von einer Verdoppelung sprechen – das bringt die einzelnen Mitglieder in eine wirtschaftlich angespannte Situation“, erzählt Oskar Beer. Josef Frauscher berichtet aus Oberösterreich, dass es Preise nur mehr auf Anfrage gebe und die Steigerung je nach Produkt zwischen 25 und 150 % liege.

Ich wünsche mir zumindest eine gewisse Preissicherheit, um wieder normal kalkulieren zu können.


Robert Böhm, Landesinnungsmeister Wien

Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr

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Friedrich Egger, Landesinnungsmeister Salzburg © Zimmerei Egger

„Die Auftragslage bei den Wiener Betrieben ist sehr gut. Ein nicht unerheblicher Anteil entfällt dabei auf Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten, die sehr arbeits- und weniger materialintensiv sind und daher etwas mildernd auf die Gesamtsituation wirken“, so Robert Böhm. Generell sind die Betriebe über die Bundesländer hinweg aber unterschiedlich betroffen. „Problematisch sind vor allem materialintensive Aufträge mit großem Massivholzanteil. Diese sind aufgrund der enormen Preissteigerungen zum Teil nicht mehr kostendeckend abzuwickeln, was gleichbedeutend mit existenzbedrohenden Folgen für manche Firmen sein kann oder wird“, beschreibt Friedrich Egger die Situation in Salzburg. In Tirol sind laut Simon Kathrein grundsätzlich alle Mitglieder gleich betroffen. Einige könnten durch Einlagerungen länger ausharren, wobei sich das nach ein paar Wochen wieder relativiere. „Das größte Problem sind in erster Linie die bereits abgeschlossenen Bauverträge, dann die Planbarkeit neuer Aufträge in Bezug auf Preis und Termintreue. Für die Zukunft ist die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Baustoffen absolut in Gefahr“, zeichnet Kathrein ein dunkles Bild.

Problematisch sind vor allem materialintensive Aufträge mit großem Massivholzanteil. Diese sind aufgrund der enormen Preissteigerungen zum Teil nicht mehr kostendeckend abzuwickeln, was gleichbedeutend mit existenzbedrohenden Folgen für manche Firmen sein kann oder wird.


Friedrich Egger, Landesinnungsmeister Salzburg

Betriebe mit regionalen Lieferante im Vorteil

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Wolfgang Huber, Landesinnungsmeister Niederösterreich © Imre Antal

Aus Niederösterreich vermeldet Wolfgang Huber, „dass jene Betriebe, die immer ein großes Lager führten oder sich eventuell noch rechtzeitig eindeckten, derzeit noch besser zurechtkommen. Vor allem jene, die auf kleine, regionale Sägewerke zugreifen oder gar selbst ein Sägewerk betreiben, bleiben von den Eskapaden der Industrien verschont“. Die meisten hätten das Material aber schon immer kurzfristig und auftragsbezogen just in time eingekauft und erleiden nun enorme Schwierigkeiten: „Materiallieferungen erfolgen irgendwann – wenn überhaupt –, und dann zu Preisen, welche die Industrie diktiert und die von den früher üblichen Niveaus weit entfernt sind.“ In Kärnten hätten „einige Betriebe den richtigen Riecher gehabt und sich schon im Dezember und Januar mit Material eingedeckt. Da hat man von den Händlern schon Signale erhalten, dass es zu Preissteigerungen kommen wird“, berichtet Fritz Klaura. Allerdings hätte niemand mit diesem Ausmaß gerechnet. Wie in Niederösterreich sind auch hier speziell jene Unternehmen, die ihren Betriebs- und Produktionsablauf sehr gut organisiert haben und mit just in time-Lieferungen arbeiten, vom Versorgungsengpass massiv betroffen. Jene, die sich mit kleinen Projekten und Sanierungen beschäftigen, seien zwar ebenfalls, jedoch in weit geringerem Ausmaß betroffen.

Vor allem jene Betriebe, die auf kleine, regionale Sägewerke zugreifen oder gar selbst ein Sägewerk betreiben, bleiben von den Eskapaden der Industrien verschont.


Wolfgang Huber, Landesinnungsmeister Niederösterreich

Trennung zwischen Liefer- und Preissituation

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Fritz Klaura, Landesinnungsmeister Kärnten © privat

Prognosen sind derzeit schwer zu anzustellen, weshalb auch die Erwartungen hinsichtlich einer Entspannung in Bezug auf die Liefer- und Preissituation variieren. Einig ist man sich jedenfalls, dass man „die Erholung der Lieferfähigkeit von der Erholung am Preissektor trennen und separat betrachten muss“, wie es Klaura ausdrückt. Während man bei manchen Produkten wie KVH oder Platten bereits von rückgängigen Lieferzeiten spricht, rechnet man über das ganze Land hinweg mit keiner allzu frühen Entspannung beim Preis. „Eine Entspannung – und ich rede nicht von einer Preisreduktion – ist frühestens im Herbst zu erwarten“, so Gerhard Kast aus dem Burgenland. Böhm gibt indes zu bedenken: „Ich glaube, die Preise werden auf einem hohen Niveau bleiben. Der Holzpreis hat sich in den letzten zehn Jahren kaum nach oben entwickelt – der Sprung hat kommen müssen.“ Das erfordert natürlich ein Umdenken. „In Zukunft werden weniger Aufträge vergeben, da der Holzbau nicht mehr so konkurrenzfähig ist. Wir Zimmerer werden unsere Tätigkeiten verlagern, weniger Material von der Industrie beziehen und wie früher bauen: regional, ökonomisch und ökologisch“, prognostiziert Huber. Kathrein sieht das ähnlich: „Bezüglich einer Entspannung ist mein Optimismus auf ein Minimum geschrumpft. Ich plädiere für Kooperationen in der Branche und den regionalen Forsten und Sägewerken sowie die Forcierung rohstoffsparender Konstruktionen.“ 

Fair play ist angesagt – schliesslich haben wir alle auch eine Verpflichtung, das Potenzial von Holz im Kampf gegen die Klimakrise auszuschöpfen.


Fritz Klaura, Landesinnungsmeister Kärnten

Unbefriedigende Gespräche, juristische Anleitung

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Simon Kathrein, Landesinnungsmeister Tirol © WK Tirol

Allen Bundesländern gemein ist der Versuch, über Gespräche mit den Landesregierungen und der Bundesregierung sowie mit allen Beteiligten der Wertschöpfungskette Holz zu einer Besserung der Lage zu kommen – die Ergebnisse seien aber noch nicht befriedigend. Also hat man darüber hinaus im eigenen Wirkungsbereich versucht, Lösungen zu finden. In der Steiermark macht man beispielsweise auf der Website holzbausteiermark.jetzt medial auf die Situation aufmerksam, auch in Salzburg versucht man, in der Öffentlichkeit Verständnis für die Situation der Mitgliedsbetriebe zu schaffen, und betont, dass die unvorhersehbare Rohstoffsituation nicht vom Handwerk ausgehe. „Die Vernetzung via den Bundesverband holzbau austria funktioniert. So haben wir uns sofort mit dem besonders bewanderten Juristen Dr. Bernd Haintz in Verbindung gesetzt, der kurzfristig eine ‚Verhaltensanleitung‘ zum sprunghaften Preisanstieg und der Kommunikation mit unseren Auftraggebern [auch in der holzbau austria-Ausgabe 3|2021 abgedruckt, Anm.] geliefert hat“, erzählt Klaura. Auch in anderen Bundesländern hat man den Mitgliedern vertragliche Textbausteine für veränderliche Preise zur Verfügung gestellt.

Bezüglich einer Entspannung ist mein Optimismus auf ein Minimum geschrumpft. Ich plädiere für Kooperationen in der Branche und den regionalen Forsten und Sägewerken sowie die Forcierung rohstoffsparender Konstruktionen.


Simon Kathrein, Landesinnungsmeister Tirol

Kooperationen und Initiativen

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Oskar Beer, Landesinnungsmeister Steiermark © Holzbau Steiermark

In Tirol will man in Zukunft Schulungen bezüglich des Vertragswesens, aber auch rohstoffsparender und unabhängigerer Bauweisen anbieten. „Wir werden diese Krise auch als Chance nutzen, um viele Angewohnheiten und Strukturen in der Holzbaubranche neu zu definieren, die Abhängigkeit auf ein Minimum zu reduzieren und die Regionalität sowie Kooperationen zu fördern“, zeigt sich Kathrein voller Tatendrang. Klaura dazu: „Auch in Kärnten haben sich einige Betriebe auf Initiative der Innung und innovativer Unternehmerpersönlichkeiten gefunden, um Konzepte für eine bessere Versorgung – auch Eigenversorgung – auszuarbeiten.“ In Vorarlberg versuche man, „sich beispielsweise mit den Gemeinden auf eine einheitliche Vorgangsweise unter anderem bei Pönalzahlungen durch Lieferverzögerungen, bei denen der Unternehmer keine Schuld trägt, zu einigen“, erzählt Herbert Brunner.

Es ist nicht einzusehen, dass ein Naturprodukt, welches CO2 speichert und durch das Eigentum der Österreichischen Bundesforste uns allen gehört, mit stinkenden Grossfrachtschiffen nach Übersee transportiert wird.


Oskar Beer, Landesinnungsmeister Steiermark

Exportzölle und Fair Play

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Herbert Brunner, Landesinnungsmeister Vorarlberg © LOT Holzbau

Was müsste passieren, damit sich die Lage verbessert? „Am besten wäre eine Regelung für den Holzexport. Es ist nicht einzusehen, dass ein Naturprodukt, welches CO2 speichert und durch das Eigentum der Österreichischen Bundesforste uns allen gehört, mit stinkenden Großfrachtschiffen nach Übersee transportiert wird“, bezieht Beer klar Stellung. Auch Frauscher fordert, nur mehr Überschussexport zuzulassen und zudem die Mehrkosten durch die explodierenden Preise für dieses Jahr abzudecken – denn „zurzeit liegen unsere Einkaufspreise weit über den angebotenen Verkaufspreisen“. Böhm wünscht sich „zumindest eine gewisse Preissicherheit, um wieder normal kalkulieren zu können“. Dies sei allerdings ohne das Zutun der Industrie nicht möglich, womit sich die Situation, eigentlich keine Angebote abgeben zu können, noch einige Monate fortsetzen werde, so Egger. Klaura fordert wiederum die Industrie dazu auf, sich nicht auf den Marktpreis, sondern auf den tatsächlichen kalkulatorischen Preis zu berufen – „der lässt alle leben“. Er plädiert dafür, von hitzigen Gefechten Abstand zu nehmen, sich zusammenzusetzen und dem Realismus wieder seinen Lauf zu lassen: „Fair Play ist angesagt – schließlich haben wir alle auch eine Verpflichtung, das Potenzial von Holz im Kampf gegen die Klimakrise auszuschöpfen.“

Wir versuchen, uns mit den Gemeinden auf eine einheitliche Vorgangsweise unter anderem bei Pönalzahlungen durch Lieferverzögerungen, bei denen der Unternehmer keine Schuld trägt, zu einigen.


Herbert Brunner, Landesinnungsmeister Vorarlberg

Eine europäische Lösung

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Josef Frauscher, Landesinnungsmeister Oberösterreich © Fuehrer Holzbau

Einig sind sich die Landesinnungsmeister auch darin, dass es keine regionale Lösung für die derzeitige Problematik gibt. „Meiner Meinung nach haben wir nur eine Chance, gehört zu werden, wenn wir als Einheit, also über ganz Österreich oder auch Europa hinweg, auf die Situation aufmerksam machen“, so Kast. Kathrein sieht das ebenso: „Wir sitzen alle im selben Boot. Es wird daher keine Einzellösung nur für ein Bundesland geben, sondern mindestens eine bundesweite, wenn nicht sogar europäische Lösung brauchen. Grundsätzlich plädiere ich für die Vernunft und Fairness der gesamten Wertschöpfungskette, den jahrelangen Auftrieb des Holzbaus nicht völlig zu zerstören.“

Unser Naturprodukt Holz sollte durch Exportzölle geschützt werden und nur mehr Überschussexport zugelassen werden.


Josef Frauscher, Landesinnungsmeister Oberösterreich
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Gerhard Kast, Landesinnungsmeister Burgenland © Michael Reitberger

Abschließend fügt er hinzu: „Der Bundesverband holzbau austria hat sehr viele Evaluierungen, Analysen, Verhandlungen, aber auch Abstimmungen in einem erweiterten Expertenkreis getätigt und so unzählige wertvolle Erfahrungen für die zukünftige Strategie des österreichischen Holzbaus gesammelt. Man muss das regionale Holz bedarfsorientiert auch regional einsetzen und dabei eine gewisse Preissicherheit gewährleisten. Den Rest kann man exportieren. Nur so ist Holzbau ehrlich, ökologisch und nachhaltig. Ich bin überzeugt, wir Holzbaumeister werden auch diese Krise meistern!“

Meiner Meinung nach haben wir nur eine Chance, gehört zu werden, wenn wir als Einheit, also über ganz Österreich oder auch Europa hinweg, auf die Situation aufmerksam machen.


Gerhard Kast, Landesinnungsmeister Burgenland