Gemeinwohl versus Marktgesetze

Ein Artikel von Simon Speigner | 11.10.2021 - 11:14
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Architekt Simon Speigner © Susi Graf

Der Holzbau, eine Bauweise mit langer Tradition in unserem Land, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten zur etablierten, ökologisch nachhaltigen Art zu bauen entwickelt hat, ist in der zeitgemäßen Architektur einfach nicht mehr wegzudenken. Preiserhöhungen für den Rohstoff Holz, wie zuletzt, sind nicht nur unseriös und wenig begründbar, sondern bringen auch Handwerksbetriebe in Gefahr. Langfristig führen sie aber auch dazu, dass kluge Köpfe und Systeme, die den Holzeinsatz minimieren, wieder gefragt sind und Industrieprodukte aus dem Rohstoff Holz kritisch hinterfragt werden. Unintelligente, stark holzverbrauchende Aufbauten sollten ja ohnehin vermieden werden. Es sind daher kreative Köpfe gefordert – die Planungs- und Ingenieursleistung machen sich doppelt bezahlt. Eine gute Idee gewinnt wieder an Wert. Dazu kommen die Regionalität, das Handwerk und das Naturprodukt – Dinge, die wieder in den Fokus rücken und die Skepsis gegenüber schwer recycelbaren Industrieprodukten steigen lassen.

Partnerschaften bauen auf gegenseitiges Vertrauen – wenn dieses verloren geht, ist mehr zerstört als nur der Preis. Dass diese unnötige Preissteigerung aus Gründen der Unersättlichkeit dem lang aufgebauten positiven Image des Holzbaus nicht guttut, ist selbstredend. Es ist wenig intelligent, wenn wir Holz von weit her holen, eventuell sogar aus Naturschutzgebieten, in Österreich veredeln und dann über den Ozean schicken. Denn beim Transport gibt es keine Kostenwahrheit – hier müsste man ansetzen, dann würden wieder mehr regionale Produkte zum Zug kommen bzw. aufgewertet werden.

Holz ist ein natürlicher Baustoff, der in unserer unmittelbaren Umgebung – der „Fabrik Wald“ – wächst, das Klima regelt und uns Schutz sowie Naherholungsflächen bietet. Wenn das Holz im Umkreis mit örtlicher Wertschöpfung verarbeitet und eingebaut wird, dann ist das ökologisch und nachhaltig, stärkt die Region und ihre Betriebe und führt zu einer Umgebung mit Atmosphäre und Aufenthaltsqualität, in der sich Menschen wohlfühlen.

„Geiz ist geil“ war gestern, Profitgier ebenso – es gibt einen Wertewandel in unserem Wirtschaftssystem – heute geht es um ALLE in der Wertschöpfungskette, vom Waldbauer über den Säger, den Veredler, den Zimmerer bis hin zum Bauherr. Wenn das Holz unbehandelt ist, kann es ohne großen Aufwand wieder in den Ökokreislauf rückgeführt werden. Dann stimmt auch der Slogan der Holzwerbung – Holz ist genial! – und im Ganzen entspricht das der Gemeinwohlökonomie.

Die Holzindustrie ist nun in der Wertschöpfungskette stark in Misskredit geraten. Es wird uns bewusst, dass sie Produkte aus einem unproblematischen Rohstoff herstellt, die kritisch zu hinterfragen sind, da diese Erzeugnisse nicht ohne Weiteres weiterverarbeitet, später rückgebaut und unproblematisch in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Ein Vordenker, der mit dem Produkt Holz100 einen ultimativ gradlinigen Weg eingeschlagen hat, wurde oft belächelt, annähernd wie damals Elon Musk mit dem konsequenten Elektromobilgedanken. Über ein Jahrzehnt später gibt die EU nun Richtlinien aus, welche eine Kreislauffähigkeit des Produktes fordern, ähnlich der zuletzt kolportierten Vorgaben bei der Elektromobilität.

Vor Jahren sind zu uns Kollegen aus Asien gekommen und haben unsere Holzbauten studiert. Mittlerweile sind sie und viele andere auf den Zug aufgesprungen und verfolgen den Weg um einiges konsequenter als wir – auch hier die Vergleichbarkeiten zur E-Mobilität. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung, dass wir im europäischen Bausektor nicht ähnlich lange schlafen, wie dies die europäische Autoindustrie getan hat.

Wir sollten in Europa konsequent gemeinsam den Weg in die Zukunft bestreiten. Wir sind als Vorbilder dort gefordert, wo Marktgesetze neu geschrieben werden, und Ausbeutung, Eigensinn und verantwortungsloses Handeln keinen Platz mehr haben.