Mein LEGO-Baukasten

Ein Artikel von Reinhold Hammerer | 04.01.2022 - 09:31
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Architekt Reinhold Hammerer © Reinhold Hammerer

Die Frage möchte ich mit einer kleinen Geschichte beantworten: Die LEGO-Sammlung bei uns zu hause ist beträchtlich: Mit meinen Kindern inklusive der Oma ist es eine Dauerdiskussion, ob ein Bausatz, wenn er denn zusammengebaut ist, wieder in seiner Schachtel verräumt werden muss, damit man ihn später wieder exakt nach Anleitung zusammenbauen kann. Mein Gegenmodell dazu ist pure Anarchie: Schmeißt alle Steine in eine Kiste zusammen und dann lasst uns einen Turm bauen, der bis an die Zimmerdecke reicht.

Fazit: Langweilige oder spannende Architektur hängt nicht vom Vorfertigungsgrad der Bauteile ab, sondern von der Kreativität der Akteure. Architekten und Stadtplaner sind hier in einer besonderen Verantwortung. In unserem Büro sind wir mittlerweile dazu übergegangen, vor der eigentlichen Entwurfsarbeit ein gemeinsames Gespräch mit Fachingenieuren und Handwerkern zu führen, mit dem Ziel, die „Pferde“ von Anfang an gestalterisch in die richtige Richtung galoppieren zu lassen.

Einer meiner Lehrer, Christoph Langhof, prägte den Satz: „Ein Gebäude muss so attraktiv sein, dass jemand dieses auch kauft.“ Das ist eine hedonistische und optimistische Sicht auf die Welt, die ich sehr mag. Ich verstehe das so, dass wir enkeltaugliche Gebäude bauen, in denen wir uns wohlfühlen und die sich verändernden Bedürfnissen anpassen können – über Generationen hinweg. Gute Architektur ist pure Emotion, sie berührt uns mit allen Sinnen – Holz ist dafür von Grund auf besonders gut geeignet.

Global wird der Wettbewerb unter den Gemeinden, Städten und Regionen zunehmen. Soft Facts werden wichtiger, was bedeutet, dass die Priorität bei der Bewertung von Standorten beziehungsweise Immobilien in Richtung mehr gefühlter Faktoren geht: Gebäude sollen auch schön und interessant sein, sich in ihr Umfeld einfügen anstelle einer reinen Quadratmetermaximierung. Ein weiterer Punkt, der nicht hoch genug geschätzt werden kann, ist die Kompetenz der Auftraggeber. Dort, wo Entscheidungsträger begeisterungsfähig sind und man sich auf Augenhöhe begegnet, ist vieles möglich. Wir müssen dabei jeden Tag neu erklären und bewerben, welche Talente Holz hat. Klar, das gelingt nicht immer gleich gut.

Holz ist neben Wasser der wichtigste Rohstoff in vielen Regionen Europas. Aufgabe der Politik ist es, die Leitpflöcke einzuschlagen, um ein nachhaltiges, faires Miteinander in der Wertschöpfungskette Holz zu gewährleisten. Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet sein, dass regionales Holz in ausreichendem Maß verfügbar bleibt. Die Ökologisierung der Bauwirtschaft mit nachwachsenden Rohstoffen ist weiterzuentwickeln.

Wie weiter?

Im Großen Walsertal ist vor gut zwanzig Jahren der Verein „Bergholz“ entstanden: Gemeinden, Waldbesitzer, Säger, Zimmerer, Tischler, später auch Planer und weitere Handwerker haben sich hier mit dem Ziel zusammengefunden, den regionalen Werkstoff Holz zu nutzen, zu veredeln und mit präzisem Handwerk zu verarbeiten. Diese Regionalität hilft mit, Kulturlandschaften (wieder-)entstehen zu lassen, Arbeitsplätze in der Talschaft zu erhalten und insgesamt die Bauqualität zu steigern. Der Green Deal hatte hier bereits begonnen, lange bevor die EU-Kommissionspräsidentin diesen proklamiert hatte.

Wir brauchen noch viel mehr „Bergholz“-Vereine in dieser Welt ...