„Ab acht Häusern wird es interessant.“

Ein Artikel von Jörg Ahrens | 11.08.2020 - 08:44
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Der Einsatz von Automatisierungssystemen  bedeutet nicht nur eine Reduzierung der Ressourcen Zeit und Personal, sondern auch eine gleichbleibende Qualität und nachweislich eingehaltene Abstände. © Behrens Gruppe

Der dahin gehenden Investitionsbereitschaft von Holzbauunternehmern steht die seit vielen Jahren kontrovers diskutierte Problematik einer vermeintlich schlechteren Produktivität am Bau im Vergleich zu anderen Branchen gegenüber. Während die Arbeitsproduktivität österreichischer Betriebe, über alle Wirtschaftsbereiche von 1995 bis 2018 gesehen, um 1,7 % jährlich (insgesamt rund 33 %) anstieg, sank sie im Baugewerbe um 0,6 %. Das besagt eine 2019 veröffentlichte Studie des Beraternetzwerks Kreutzer Fischer & Partner. Die Baubranche sei zudem der einzige große Wirtschaftsbereich, dessen Wachstum in den vergangenen 20 Jahren ausschließlich durch Preiserhöhungen bedingt war. Dass diese Betrachtung zu eindimensional sein könnte, zeigt ein Blick auf einen möglicherweise viel aussagekräftigeren Wert aus Deutschland: laut Lagebericht 2018 des Bundesverbandes Holzbau Deutschland hat sich der baugewerbliche Umsatz pro Beschäftigten in den vergangenen 20 Jahren enorm positiv entwickelt und liegt mittlerweile bei 103.720 €. Zum Vergleich: 1997 betrug dieser gerade einmal 66.288 €. Ähnliche Entwicklungen gibt es in Österreich.

Eine beachtliche Produktivitätssteigerung also. Einen Beitrag dazu leisten auch Automatisierungslösungen in Planung und Produktion. Was ist also zu beachten bei der Anschaffung neuer Maschinen und Anlagen für die werkseitige Vorfertigung? Die Argumente dafür sind durchaus unterschiedlich und erfordern immer eine sehr individuelle Betrachtung. Im Wesentlichen geht es aber meist um die Bewältigung eines oder mehrerer Aspekte und Herausforderungen: 

  • Fortschreitende Standardisierung von Bauleistungen und Bauelementen, um schneller und möglichst ohne Kalkulationsrisiko Bauvorhaben anbieten zu können
  • Nutzung der kostenintensiven und in Zeiten von Facharbeitermangel wertvollen personellen Fachressourcen für Bereiche, die mehr Wertschöpfung und weniger Kostendruck bieten
  • Reduzierung der körperlichen Beanspruchung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
  • Wetterunabhängige Produktion möglichst vieler Bauleistungen

Ein Blick auf die Maschinen- und Geräteinfrastruktur einer Zimmerei zeigt in der Regel recht schnell den Automatisierungsgrad, den das Unternehmen umzusetzen in der Lage ist. Am Beispiel Verarbeitung von magazinierten Befestigungsmitteln, wie Klammern und Nägeln, finden wir Handgeräte, zeitgesteuerte Automatikgeräte, weggesteuerte Systeme oder die Vollintegration in Multifunktionsbrücken. Typische Holzbauanwendungen sind dabei die Befestigung von Holzwerkstoffplatten aller Art, Gipskarton- und Gipsfaserplatten sowie von Dämmplattenwerkstoffen aus Holzfasern oder expandierten Polystyrolen (EPS).

Erste Schritte zur Automatisierung

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Neueste Innovation eines in Vösendorf ansässigen Anbieters ist ein automatisierter Schrauber, der mit einer Magazinkapazität bis zu 700 Schrauben nun auch die serielle Befestigung von Fassadenbekleidungen, Decken- und Fußbodenschalungen ermöglicht. © Behrens Gruppe

Bereits vor rund einem Vierteljahrhundert entstand eine neue Gerätegeneration mit Automatikfunktion. Abnehmer waren damals hauptsächlich die Möbel- und Polsterindustrie. Die individuell einstellbare, zeitgesteuerte Auslöseautomatik ermöglichte eine deutliche Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit – und das bei gleichzeitig gesteigerter Ausführungsqualität. Heutzutage existiert diese Funktion auch in Geräten für den Holzbauprofi. Mit einer für diese Anwendergruppe optimierten Automatik lassen sich bereits erste Geschwindigkeitszuwächse in der werkseitigen Vorfertigung erzielen. Eine zeitgesteuerte Auslösung stellt allerdings nicht die exakte Einhaltung der erforderlichen Abstände sicher, da diese durch die individuelle Handhabung und Schnelligkeit des Anwenders variieren können. Nach einem zeitgesteuerten Automatikhandgerät verspricht ein weggesteuertes System einen ersten gravierenden Effizienzgewinn in der seriellen Befestigung von Plattenmaterialien. Systeme, wie beispielsweise jene eines Ahrensburger Herstellers, können drei Geräte integrieren und Bauklammern von 40 bis 65 mm sowie drahtgebundene Coil-Nägel von 60 bis 80 mm verarbeiten. Dieses Befestigungssystem ermöglicht Eurocode-5-konforme Verbindungen und ist damit für den Einsatz im konstruktiven Holzbau geeignet.

Reduzierung der Ressourcen

Der Einsatz dieser Geräte bedeutet nicht nur eine Reduzierung der Ressourcen Zeit und Personal und somit eine Steigerung der Produktivität; eine gleichbleibende Qualität der Befestigung und nachweislich eingehaltene Abstände erleichtern darüber hinaus dem Holzbauunternehmer die belastbare Dokumentation der eingesetzten Befestigungssysteme. Die Investition in ein solches System ist relativ moderat und interessant für Zimmereien, die in der werkseitigen Vorfertigung den nächsten Schritt vollziehen wollen. Der Unternehmer sollte jedoch sicherstellen, dass das neue System in die Arbeitsabläufe integriert wird und sich die Mitarbeiter damit vertraut machen können. Eine gründliche Vorstellung vor Ort wird von den Fachberatern deshalb immer empfohlen. Natürlich sollten bei einer Geräteeinweisung die zukünftigen Nutzer anwesend sein, damit von Beginn an die Akzeptanz geweckt wird.

Der große Wurf: die automatisierte Anlage

„Ab acht Häusern pro Jahr wird es interessant“ – das ist zwar keine empirische Größe, zitiert jedoch einen frischgebackenen Besitzer einer Zimmermeisterbrücke. Diese Aussage belegt, dass eine vollautomatische Anlage schon lange keine Domäne großer Holzbaubetriebe oder regionaler Abbundzentren mehr ist. Der Platzbedarf ist überschaubar und die Investition von einem gesunden mittelständischen Betrieb zu stemmen. Der Digitalisierungsgrad des Unternehmens sollte allerdings Schritt halten mit der Entscheidung für eine Anlage. Möglichst frühzeitig sollten sich Unternehmer und zukünftige Bediener der Anlage mit den Schnittstellen zur Dateneinspeisung sowie der Anlagensteuerung vertraut machen und gegebenenfalls rechtzeitig schulen lassen. Ebenfalls empfehlenswert ist ein Blick auf die innerbetriebliche Logistik. Der Einsatz einer Fertigungsbrücke erfordert mitunter andere logistische Prozesse, als der rein manuelle Abbund.

Automatisierungslösungen für die Befestigung

Die Integration von Befestigungssystemen in neue oder bereits bestehende Anlagen erfordert ein hohes Maß an interdisziplinärer Herangehensweise. Nur ein voll integriertes System, sowohl hardware- als auch softwareseitig, führt zu Produktions- und Qualitätssteigerungen.