Bald Lehrlings-Projektwochen in Niederösterreich

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 11.03.2024 - 13:19
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Nach dem Vorarlberg-Vorbild soll es schon bald auch Projektwochen in Niederösterreich geben. © Matthias Rhomberg

In Vorarlberg gibt es sie seit mittlerweile zehn Jahren: die Lehrlings-Projektwochen. Das Konzept: Lehrlinge des ganzen Bundeslandes treffen sich für jeweils sechs Tage zu einem überbetrieblichen Weiterbildungsangebot. Im Vordergrund steht die praxisnahe handwerkliche Arbeit. Es wird an einem Holzbauobjekt gearbeitet, das am Ende nicht seinem Schicksal, sondern einem ausgewählten Abnehmer überlassen wird. So zimmerten die Vorarlberger Lehrlinge bereits mehrere Holzkonstruktionen im Maßstab 1:1 – von der Gartenhütte für Privatpersonen über das Buswartehäuschen bis hin zum Unterschlupf für einen Hirten auf der Alp. So sollen die Jungen die alte Handwerkskunst und die traditionellen Zimmermannsverbindungen nicht verlernen. Eine zünftige Firstfeier rundet die „Holzbau-Alpwoche“ in Vorarlberg traditionellerweise ab.

Ideen in die Tat umsetzen

Einige Lehrlinge und Holzbau-Meister aus Niederösterreich durften im vergangenen Jahr bei einer Projektwoche in Vorarlberg teilnehmen und Erfahrungen sammeln. Die positiven Rückmeldungen gaben Anlass, die Idee in die Tat umzusetzen. Und damit steht fest: 2024 beginnt man mit einer Testphase, 2025 soll das Programm flächendeckend für alle Lehrbetriebe Niederösterreichs gelten. Die Lehrlinge planen und bauen selbstständig ein kleines Holzbauprojekt. Geschulte Profis stehen ihnen dabei zur Seite und animieren zum selbstständigen Arbeiten im Team. Zielgruppe sind alle Zimmererlehrlinge in der ersten Hälfte ihrer Ausbildung. Jeweils zehn bis zwölf Jungzimmerer kommen für je sechs Tage zusammen. Der vorgesehene Veranstaltungsort dafür ist einzigartig. Die Lehrlingswoche findet in der BauAkademie in Langenlois statt. Im dort vorhandenen Lehrbauhof kommt das Holzbauprojekt zur Umsetzung und alle Freizeitaktivitäten gehen ebenfalls dort über die Bühne. Geschlafen wird ebenfalls am Areal des Schlosses Haindorf. Geht es nach dem Vorarlberger Vorbild, enden tatenreiche Tage bei Gesprächen am Lagerfeuer. 

3 Fragen an: Wolfgang Huber, Landesinnungsmeister Niederösterreich

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Wolfgang Huber, Landesinnungsmeister Holzbau Niederösterreich © Imre Antal

Bei den geplanten Lehrlings-Projektwochen in Niederösterreich soll es sich, genau wie in Vorarlberg, um ein verpflichtendes Weiterbildungsangebot handeln. Warum haben Sie sich in der Landesinnung Niederösterreich dafür entschieden?

Wolfgang Huber: In Vorarlberg spricht man von einer Verdoppelung der Lehrlingszahlen innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Das ergibt sich nicht von selbst. Die Idee war, unsere Lehrlinge auf ähnliche Weise zu fördern. Deshalb schickten wir 2023 vier Lehrlinge zum Projektwochen-Schnuppern nach Hittisau. Die Begeisterung unserer Jugend war groß. Dies bestätigte meine Überzeugung, dass eine solche Projektwoche auch in Niederösterreich eine Möglichkeit darstellen kann, den Lehrlingen ein zusätzliches Angebot zu liefern, das für die Handwerkskunst begeistert und zusätzlich sehr viel Spaß macht.

Wie finanziert man so etwas und wann soll das Programm starten?

WH: Heuer wollen wir mit einer Testphase auf freiwilliger Basis starten. 2025 gehen wir in die Vollen. Dann wird es einen Lehrlingsvertrag geben, in dem die Projektwoche für jeden Lehrling innerhalb der ersten Hälfte seiner Lehrzeit verpflichtend wird. Die Finanzierung ist bereits jetzt geklärt. Wir sprechen von einer 100%-Förderung. Das heißt, der Lehrbetrieb entrichtet vorerst 1000 € Kursbeitrag an die BauAkademie, der dann in Form von 750 € Lehrlingsförderung der WKO und 250 € Förderung der Landesinnug ausgeglichen wird. On top kommen 250 € Ausfall-Entschädigung, ebenfalls von der Landesinnung. 

Welchen Effekt erwarten Sie sich?

WH: Eine Verdoppelung der Lehrlingszahlen innerhalb von zehn Jahren. Nein, ernsthaft: Wir möchten Jugendliche für unseren Beruf begeistern und noch bessere Qualität der Ausbildung schaffen. Neben dem Handwerk werden soziale Kompetenzen gefördert. Das Ich wird zum Wir. Und gerade das kann im späteren beruflichen Alltag sehr wertvoll sein.

Lehrabschlussprüfung mit Update

Eine weitere Neuerung in Niederösterreich betrifft die Lehrlingsabschlussprüfung. Da die Kritik die Prüfung betreffend zunahm, wurden alle Ausbilder dazu eingeladen, Input für Neuerungen zu liefern. Das hatte ein umfassendes Update zur Folge, das erstmals im vergangenen Jahr zur Anwendung kam. Die Prüfung gestaltet sich nun wieder praxisgerechter und hat somit mehr Wert erlangt.

Schauzimmern: Leonardobrücke in Tulln

Im Rahmen der Messe pool & garden in Tulln, die von 21. bis 24. März stattfindet, schauzimmern niederösterreichische Lehrlinge am Freitag und Samstag  zwei Mal täglich eine Brückenkonstruktion nach dem Vorbild von Leonardo da Vinci. Er hat mit seinem Codex Atlanticus (1478 bis 1518) die Grundidee der sogenannten Leonardobrücke skizziert. Das Prinzip besteht darin, dass sich die verbauten Hölzer gegenseitig stützen und keine Verbindungsmittel wie Dübel, Schrauben, Nägel oder Seile notwendig sind. Eine solche Konstruktion mit rund 5,5 m Spannweite soll entstehen und dann auch belastet werden.

All diese Neuerungen sowie Traditionen lassen sich auf das Engagement der Landesinnung zurückführen. Wolfgang Huber habe das nicht alleine zu verantworten, wie der bodenständige Holzbau-Meister betont. Genauso wie es bei den Lehrlings-Projektwochen gelebt wird, hält auch Huber das „Wir“ höher als das „Ich“. Regelmäßiger Erfahrungsaustausch in den verschiedenen Regionen ist ihm ebenso wichtig wie die Teamarbeit in der Landesinnung. Ein fruchtbares Konzept, das zu funktionieren scheint.

Daten & Fakten

Landesinnungsmeister: Wolfgang Huber
Mitgliedsbetriebe: 487 (davon 58 ruhend)
Unselbstständig Beschäftigte: 2160
Lehrlinge: 375