Gerade im mehrgeschossigen Wohnbau ist die Abstimmung der Projektbeteiligten aufgrund der noch stärker gefragten Wirtschaftlichkeit essenziell. holzbau austria hat sich mit mit Architekt Dominik Philipp und Holzbau-Meister Engelbert Schrempf an einen Tisch gesetzt, um die Schnittstellen zu erfragen. Philipp kommt mit dem Tablet im Anzug, Schrempf mit Notizblock im Loden. Schon das erste Indiz? Wie groß ist der Unterschied zwischen den beiden Zugängen? Eine Bedarfserhebung.
Damit ein Holzbauprojekt optimal geplant werden kann, empfiehlt sich die Zusammenarbeit zwischen Architekten und Holzbauplanern von Anfang an. Das ist die viel zitierte Theorie. Wie sieht die Praxis aus?
Dominik Philipp: Nun, ich würde das nicht nur auf die Zusammenarbeit zwischen Architekten und Holzbauplanern beschränken, sondern alle Planende mit ins Boot nehmen. Die Praxis deckt sich nicht immer mit dieser Empfehlung der Zusammenarbeit. Das kommt aus der Zeit, in der hervorragende Gebäude als das Produkt eines genialen Architekten gesehen wurden. In dieser Zeit schuf dieser geniale Architekt sein Werk in einem einsamen Prozess in einem stillen Kämmerlein. Wer kennt sie nicht – die geniale Skizze auf der Serviette. Und erst als das Werk fertig war, trat der Architekt zur Seite und das ausführende Unternehmen dazu.
Engelbert Schrempf: Genau, und ab diesem Zeitpunkt hat der Zimmermeister krampfhaft versucht, die Ideen des Architekten umzusetzen. Somit war der Planer für den Holzbau-Meister quasi ein „Feindbild“, denn viel Gezeichnetes ließ sich im Holzbau oft überhaupt nicht umsetzen – brandschutztechnisch, statisch, aber meist in Anbetracht des konstruktiven Holzschutzes. Es waren dann wohl die Vorarlberger, die sogenannte erste Holzbauarchitekten-Generation, die dieses Eis brachen und den Holzbau-Meister in den Planungsprozess miteinbanden. Gemeinsam setzten sie radikal sparsamen konstruktiven Holzbau um. Das passierte bereits Mitte der 1960-Jahre.
Und wie stehen die Dinge jetzt?
DP: Wir sind definitiv viel weiter zusammengekommen, aber in der Praxis gibt es erhebliche Unterschiede betreffend Region und Projektgröße. Schauen wir uns die regionalen Unterschiede an: Wie Engelbert schon angesprochen hat, in holzbauaffinen Gegenden, wie Vorarlberg, arbeiten Handwerkende und Planende schon lange eng zusammen. Architekten sehen sich als Handwerker, was die Zusammenarbeit erheblich erleichtert. Dann gibt es Regionen, wo man den Holzbau noch nicht so gut kennt, aber auf erfahrene Holzbauer setzt und sich den Ausführungsinput via Holzbauingenieur holt. Das funktioniert auch gut. Dritter Fall: Man kennt den Holzbau nicht und möchte alles so machen wie bisher. Das funktioniert leider gar nicht gut. Leistungskataloge, die nichts mit dem Material Holz zu tun haben sind die Folge. Die frühzeitige Integration der Ausführungskompetenz gibt es nicht. Nun zum Unterschied hinsichtlich der Projektgröße: Bei klein- und mittelvolumigen Projekten funktioniert der kooperative Ansatz auch schon sehr gut. Jedoch auf dem relativ neuen Terrain der riesigen Holz- und Holzhybridprojekte fällt man noch stark in die konventionelle Projektabwicklung, die auf die klare Trennung zwischen Planung und Ausführung setzt, zurück.
ES: Gerade bei Großvolumina möchte ich noch einen dritten wichtigen Protagonisten ansprechen, nämlich den Tragwerksplaner. Für mich ist dieses Dreiergespann – Architekt, Holzbau-Meister, Tragwerksplaner – das Rezept zum erfolgreichen Holzbau. Als bindendes Glied zwischen Planer und Holzbau-Meister hat er größtenteils das Zepter in der Hand. In der Generation von Dominik und mir ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit durch BIM und digitale Planungsprozesse ja größtenteils schon eine Notwendigkeit, um überhaupt ein Großprojekt zu realisieren.
Zur Person Dominik Philipp
Architekt Dominik Philipp ist seit 2016 gemeinsam mit Helmut Dietrich, Much Untertrifaller und Patrick Stremler geschäftsführender Gesellschafter bei Dietrich I Untertrifaller. Er studierte Architektur sowie Bauingenieurwesen an der FH Kärnten in Spittal an der Drau. Im Jahr 2007 startete er als Projektleiter bei Dietrich I Untertrifaller und unterrichtet seit 2017 Projektmanagement beim Lehrgang ‚überholz‘* an der Kunstuniversität Linz. Zusätzlich lehrt er an der FH Kärnten „Nachhaltigkeit in der Architektur/ Nachhaltiges Baumanagement“ und sitzt im Gestaltungsbeirat Lungau.
Wie steuern wir also am effektivsten auf das verstärkte interdisziplinäre Zusammenspiel zu?
DP: Machen, machen, machen und darüber reden. Wir sollten noch stärker die Methoden und Werkzeuge, die für qualitativen Holzbau notwendig sind, thematisieren. Das passiert auf Plattformen, wie ich es auf der Bildungswoche in Alpbach erlebt habe, auf Universitäten, Akademien oder konkret im ‚überholz‘-Lehrgang, der das gegenseitige Verständnis extrem fördert.
ES: Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Seit meinem ‚überholz‘*-Studium habe ich einen durchwegs positiven Zugang zu den Architekten. Es gibt ein Sprichwort unter den Zimmerern: „Der Karren muss über den Berg, egal bei welcher Witterung.“ Das heißt im weitesten Sinne, Hartnäckigkeit und eiserner Wille sind den Zimmerleuten naturgegeben. Wenn wir etwas schaffen wollen, dann tun wir das auch. Viele wissen schon, wie wir ticken und die gegenseitige Wertschätzung funktioniert deshalb aus meiner Sicht schon sehr gut.
Wie sieht die optimale Herangehensweise eines Architekturbüros aus, das zum ersten Mal ein Holzbauprojekt plant?
ES: Für den Holzbau-Meister sind der konstruktive Holzbau, und damit meine ich den Holzschutz, die Bauphysik sowie der Feuchteschutz das Wichtigste. Der Werkstoff Holz ist ein Baustoff, den es gilt, dauerhaft zu schützen. Das ist für uns Gewährleistung. Deshalb ist es wichtig, dass der Architekt weiß, welche Grenzen Holz hat. Grenzen in Bezug auf Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit, Feuchteschutz, Brandschutz und auch Schallschutz. Holz ist so vielseitig und muss richtig eingesetzt werden. Der Holzbau-Meister ist gewillt, den Architekten auf den Baustoff einzuschulen. Er muss nur fragen.
DP: Wichtig ist dabei, aus meiner Sicht als Architekt, dass sich die Planenden, die das zum ersten Mal machen, nicht nur den Willen haben zu fragen, sondern auch aktiv bereit sind, sich vom bisher bekannten Abwicklungsmodell zu lösen. Leider ist Erfahrung meist der größte Innovationskiller. Konkret meine ich damit: Jahrelange Erfahrung in der Abwicklung von Betonprojekten kann sich zum Spielverderber in Holzbauprojekten entwickeln. Es ist notwendig, dass man sich genug Zeit in der Zieldefinitionsphase nimmt und die Regler des Projektes einstellt. Und dabei sind die Systemzusammenhänge zu klären. Was meine ich damit? Man muss beispielsweise folgende Fragen klären: Ist ein Systemwechsel durch das ausführende Unternehmen in der Angebotsphase möglich? Wie hoch soll der Grad der Vorfertigung sein? Dem gegenüber steht der Freiheitsgrad eines Sonderwunsches im Wohnungsbau. Auf Planerseite gilt es zudem, die Vielfalt der konstruktiven Systeme, die regional unterschiedlichen Fertigkeiten der ausführenden Unternehmen zu bedenken. Diese Faktoren bringen jeweils andere Abwicklungsmodelle mit sich.
Zur Person Engelbert Schrempf
Der Ramsauer Holzbau-Meister und ‚überholz‘*-Abgänger Engelbert Schrempf hat ein Planungsbüro für Holzbau in Schladming. Als Mitglied der holzbau austria-Geschäftsführung vertritt er seine Branchenkollegen auf Bundesebene in der Normentätigkeit und betätigt sich im Organisationskomitee der Bildungswoche in Alpbach. Seine Expertise auch als Tragwerksplaner und Bauphysiker bringt Schrempf seit mehreren Jahren als Mitglied in der steirischen Befähigungsprüfungskommission ein. Seit Kurzem fungiert er zusätzlich als steirischer Landesinnungsmeister-Stellvertreter.
Warum dann nicht auf Nummer sicher gehen und gleich innerhalb des Architekturbüros einen Holzbauplaner anstellen, der alle feinen Details kennt?
DP: Finde ich nicht immer zielführend. Die gute Zusammenarbeit mit dem lokalen Holzbauunternehmen ist vorrangig. Deshalb ist es meiner Meinung nach sinnvoller, auf einen Holzbauingenieur zurückzugreifen, der lokal verwurzelt ist und dem die Holzbauunternehmen vertrauen.
Stichwort Vertrauen: Wertschätzender Umgang und Einsicht auf beiden Seiten gelten also als Schlüssel zur optimalen Zusammenarbeit? Ein erster Schritt?
DP: Respekt, Toleranz und ja, vor allem Vertrauen gehören zur DNA erfolgreichen Planens und Bauens. Und wenn ich von Respekt und Toleranz sprechen, meine ich stark: Offenheit für die Meinung anderer und dennoch Mut zur Eigenwilligkeit.
ES: Offenheit ist ein gutes Stichwort: Ein Holzbau-Meister ist nicht nur Handwerker, sondern auch Planer. Wenn er die Werksplanung ausführt, muss es vonseiten der Architekten ein gewisses Maß an Offenheit und Verständnis geben und beim Mut zur Eigenwilligkeit – in diesem Punkt verstehen wir uns sowieso.
*„überholz“ nennt sich ein Universitätslehrgang an der Kunstuniversität Linz. Im Zentrum des Studiums stehen neben der Vermittlung fachlichen Wissens die Kommunikation zwischen den Disziplinen Architektur, Tragwerksplanung und Holzbau sowie das Training einer erfolgreichen Zusammenarbeit.