So ergab sich bei einem früheren kleinen Bauernhof die Gelegenheit, genau diese These in die Tat umzusetzen. Nur wenige Kilometer nördlich von Freistadt gelegen, ist der u-förmige Hof über Jahrzehnte zu einem Mehrgenerationenhaus gewachsen. Im Erdgeschoß leben die Alten, die Großeltern, die ursprünglich den Hof landwirtschaftlich nutzten – die Hühner im Garten sind geblieben. Das Obergeschoß haben die Jungen für ihre kleine Familie umgestaltet und ausgebaut. Ihrer Berufung und selbstständigen Tätigkeit nach, beide sind Fotografen, wurde der Platz doch bald zu eng. Schon lange schlummerte in ihnen der Traum vom ausgebauten Heustadel, der direkt an die Wohnebene im Obergeschoß anbindet. Die ungenutzten, noch heustaubigen Flächen sind vielversprechend – bald wird klar, der großzügige, unverbaute Raum ist das Potenzial. Unbeheizt, nutzungsneutral und frei soll er bleiben. Die neu eingezogene, geflügelte Betondecke über den Garagen ist robust genug zum Arbeiten und geschmeidig genug für eine Tanzeinlage – das hat sich schon bewährt.
So lässt es sich arbeiten
Vereinzelt eingelegte, transparente Dachschindeln schaffen eine angenehme Lichtstimmung. Die frisch eingebauten Holzklappläden ermöglichen an sonnigen Tagen einen herrlichen Ausblick und schützen an windigen vor Zugluft. Die übrigen Bestandswände werden zu Ausstellungsflächen für die Fotoarbeiten. Das neue Studio drängt sich unaufgeregt an die Nordseite. Es ist über den unbeheizten Stadel zugänglich und verfügt über einen Arbeitsbereich, ein Minibad und das Archiv. Innen wie außen wurde mit Birkensperrholz gearbeitet. Eine Kassettenstruktur im Inneren übernimmt statische Aufgaben. Der ausgediente Heuboden mit dem soliden Dachstuhl und seinem alles überspannenden Dach schafft eine einzigartige technische Freiheit. Die Holzbox hat keine Anforderung an Regensicherheit, Türen können nach außen aufgehen, aufwendige Dichtungen und Abdeckungen sind überflüssig. Großzügige Verglasungen zum Stadel verleihen dem kompakten Studio eine geräumige Wirkung – so lässt es sich arbeiten.
Von der Arbeitsstätte zur Arbeitsstätte
Wurde das Gebäude für seine landwirtschaftliche Nutzung ursprünglich als Arbeitsstätte errichtet, ist es nun wieder zu einer Arbeitsstätte geworden. Für die Kombination von Arbeiten und Wohnen – Tür an Tür, wie damals am Bauernhof –, spricht generell viel. Nicht nur die inhaltliche Nachverdichtung und das Leben der kurzen Wege und somit der Wegfall eines Großteils der Autofahrten, auch das Familienleben erfährt neue, nachhaltige Qualitäten. Es wird flexibler und ungezwungener. Die Kinder erleben zusätzlich ganz selbstverständlich den Alltag und das Tun der Eltern. Im gemeinsamen Sein erfahren sie ihre sozialen Fähigkeiten, Möglichkeiten und Notwendigkeiten – ein unbezahlbarer nachhaltiger Mehrwert.
Nachhaltigkeit: auch Raumprogramm hinterfragen
Was noch dazu kommt: Der Bestand ist hier besonderer Mehrwert. Selten wird im Neubau der Nutzungsbedarf mit einen derart großzügigen Raumpuffer ergänzt. Das Beispiel zeigt jedoch, welchen Mehrwert es haben kann, wenn die beheizte Fläche auf ein absolutes Minimum reduziert und durch einen großzügigen, „kalten“ Raum erweitert wird. Ressourcenschonendes Bauen ist also nicht nur bei Materialeinsatz auf Nachhaltigkeit zu achten, sondern auch das Raumprogramm zu hinterfragen, auf ein Minimum zu reduzieren und wie hier gelungen, durch den großzügigen Freiraum zu kompensieren.