Mit ihrem naturverbundenen Projekt „Fuchsegg Eco Lodge“ haben die Architekten sechs Holzgebäude mit eigenständigen Funktionen entwickelt. © Elmar Ludescher
„Die Kulturlandschaft ist unser größtes gemeinsames Kapital im Alpenraum. In Resonanz mit der Umgebung verstärken gute Gebäude die Kraft eines Ortes“, hält Architekt Philip Lutz gleich eingangs fest. Das Bregenzer Büro von Ludescher + Lutz Architekten trägt einen großen Teil zur Erhaltung dieser wertvollen Fläche bei. Abwechslungsreiche Landschaften im Zusammenspiel mit mancherorts baulichem Erbe tragen nämlich wesentlich zur touristischen Attraktivität Österreichs bei. Chancen sieht der Planer vor allem in einer Wechselbeziehung von Tourismuswirtschaft und dem Erhalt beziehungsweise der Weiterentwicklung von Naturräumen, Kulturlandschaften und hochqualitativer Baukultur. Gleichzeitig spricht sich Lutz gegen ein Streben nach Profitmaximierung und Fehlentwicklungen aus, die im ländlichen Raum vor allem flächen- und verkehrsintensive Apartment- und Chaletdörfer betreffen. Diese würden eine alpine Idylle abseits jeder lokalen Realität vorspielen und sind oft nur wenige Wochen im Jahr genutzt. „Über die fortschreitende Zersiedelung des Landes wird seit Jahrzehnten diskutiert und trotzdem wird weiter Bauland gewidmet, werden neue Einkaufszentren oder Firmensitze auf der grünen Wiese und Chaletdörfer in den Alpen errichtet. Die fortschreitende Versiegelung trägt zur Klimakrise bei“, warnt Lutz. Mit einem Projekt auf 1100 m Seehöhe in Vorarlberg wollen die Architekten aufzeigen, wie man beim Bauen gleichzeitig einen kulturellen Beitrag leisten kann.
Hotelensemble wird eins mit der Natur
Wie eine typische Vorsäßsiedlung mit ihren Holzhütten fügt sich das neue Hotelensemble in die Kulturlandschaft des Bregenzerwaldes ein. © Günter Standl
Mitten im Bregenzerwald und damit im Dreiländereck Deutschland, Österreich und der Schweiz, besticht die „Fuchsegg Eco Lodge“ mit ihrer ruhigen Lage abseits der Touristenströme und gleichzeitiger Nähe zum Bodensee und den Bergen. Die neue Herberge liegt in Schetteregg, einem Ortsteil der Marktgemeinde Egg, auf einer Fläche von über 9000 m2 inmitten von Wiesen, Wäldern und Bergen und fügt sich klar in die Umgebung ein. Es ist wider Erwarten kein riesiger Hotelkomplex, sondern ein Ensemble aus sechs Häusern. Den Gästen stehen 30 Wohneinheiten, verteilt auf drei Gebäude, zur Verfügung. Sie alle sind nachhaltig gebaut und in Anlehnung an die für die Region typischen Vorsäßhütten schlicht designt. „Ein Resort, das sich klein macht“ titelte Vorarlberg online im Zuge der Fertigstellung. Diese Beschreibung trifft es wohl am besten, denn die Holzhäuser verschmelzen mit der Natur und fügen sich unaufgeregt in das vorherrschende Landschaftsbild ein.
Eine Herzensangelegenheit
Die Bauherrn- und Unternehmerfamilie Hämmerle/Can (Simplon-Fahrräder), die 1961 zu den ersten Ferienhaussiedlern in Schetteregg gehörte, haben akribisch nach Architekten gesucht, die ihre Vorstellungen umsetzen und sind mit Philip Lutz und Elmar Ludescher fündig geworden. „Man hat uns aufgrund unserer städtebaulichen Qualitäten empfohlen und so kamen wir mit der Bauherrin schnell auf einen grünen Zweig betreffend die Entwürfe“, gibt Lutz an. „Ich würde es anders formulieren“, ergänzt Bauherrin Carmen Can. „Wir haben uns für Ludescher + Lutz Architekten entschieden, weil sie bekannt dafür sind, die Umgebung, die Topografie der (Kultur-)Landschaft mitzudenken. Diesen Ansatz finden wir einfach toll.“ Bereits 2016 begannen die ersten Planungsgespräche, der Spatenstich erfolgte schließlich im Mai 2019. Geselligkeit, Naturerlebnisse, Treffen von Generationen, die Schönheit des Bregenzerwaldes, Inspiration – all das möchte die Familie heute ihren Gästen weitergeben. Individualität soll dabei nicht zu kurz kommen. „Wir haben uns auf schlichte Baukörper und ruhige Silhouetten geeinigt, alle Fassaden sind komplett in Holz detailliert“, erklärt Lutz. Gebaut wurde mit Partnern aus dem Bregenzerwald, um die lokalen Ressourcen zu nutzen.
Flughöhe möglichst hoch halten
Zu Beginn eines jeden Bauprojektes versuchen die Planer, „die Flughöhe möglichst hoch zu halten“, was auch bedeutet, dass nicht nur die Grundstücksgrenzen selbst blind abgesteckt werden. Das Drumherum, also die ganze Umgebung zählt. „Wir schauen uns immer ein Luftbild von mindestens 2 mal 2 Kilometern an. Das ist dann unser Schwarzplan, der aufzeigt, wie die Siedlung rund um das Grundstück strukturiert ist. Im vorliegenden Fall gab es da zum Beispiel Skitalstationen, Strommasten, Gasthäuser und zwei Vorsäßsiedlungen mit ihren einfachen Holzhütten“, schildert Lutz. Diese nahmen sich die Architekten für die „Fuchsegg Eco Lodge“ zum Vorbild und entwickelten daraus ein Raumprogramm, das sich in mehrere Häuser aufgliedert. Der Vorteil: Man kann beim Bauen auf die wellige und abfallende Almenlandschaft reagieren, sich von typischen Hotelzwängen lösen und unterschiedliche Grundrisse einplanen. Zudem werden die diversen Funktionen eines großen Beherbergungsbetriebes wie Parken, Essen, Schlafen und Wellnessmöglichkeiten auseinanderdividiert. „So bleiben auch Essens- und Chlorgerüche dort, wo sie sein sollen und ich brauche als Gast nicht im Bademantel im Lift stehen oder am Speisebereich vorbeigehen“, weist Lutz hin.
Was ist ein Vorsäß?
Allen Nichtvorarlbergern oder Städtern soll an dieser Stelle der Begriff „Vorsäß“ kurz nähergebracht werden. Dieser beschreibt in Vorarlberg und vor allem auch im Bregenzerwald eine besondere Art der Landwirtschaft, die seit Generationen gepflegt wird – die sogenannte Drei-Stufen-Landwirtschaft. Die drei Stufen setzen sich aus dem landwirtschaftlichen Talbetrieb, dem Vorsäß und den Alpen (Almen) zusammen. „Die allermeisten Talbetriebe sind mit zu geringen Futterflächen ausgestattet, um die Existenz der bäuerlichen Familien zu gewährleisten. Aus diesem Grund zieht der Landwirt mit Vieh und meist der gesamten Familie auf das höher gelegene Vorsäß. Dort wird die verzögert einsetzende Vegetation genutzt, um das Vieh zu weiden. Nach dem Abweiden der Vorsäßflächen ziehen die Bauern mit ihrem Vieh in die dritte Stufe der Bewirtschaftungsform, auf die Alpe (Alm) oder Hochalpe. Die Alpen werden in der Regel als Agrargemeinschaften von einer Vielzahl von Landwirten betrieben“, kann man auf unser-vorsaess.at nachlesen. Den Landwirten ermöglicht die Drei-Stufen-Landwirtschaft größere Viehbestände zu halten und damit verbunden die Existenz ihrer Familien zu verbessern. Zudem trägt sie zur Pflege der Kulturlandschaft bei.
Gasthaus als Herzstück und Drehscheibe
Eng zusammenstehend, fast wie ein Dorf, sind die sechs Baukörper der Fuchsegg Eco Lodge angesiedelt. Nach dieser Grundsatzentscheidung entwickelten Ludescher + Lutz Architekten die Rolle der einzelnen Häuser sowie die kompletten Grundrisse. Auch das Konzept für die Gastronomie mit Seminarbereichen plus Bibliothek und das Saunahaus am beheizten Außenpool stand von Beginn an fest. Dank des weitläufigen Areals sind die Orte für geselliges Beisammensein von denen für Privatsphäre getrennt. Urlauber müssen nicht zwingend auf Tagesgäste treffen. Auf eine direkte Verbindung zwischen den Häusern wurde dabei bewusst verzichtet: Beim Wechsel sollen Gäste die Nähe zur Natur jedes Mal aufs Neue entdecken und spüren. Das Herzstück der Fuchsegg Eco Lodge ist sicherlich das geräumige Haupt- beziehungsweise Gasthaus. „Es liegt direkt an der Landstraße und soll eine Art Drehscheibe sein. Hier ist jeder willkommen und man findet dort auch die Rezeption. Im Obergeschoss sind große Tagungsräume situiert, die von Firmen genutzt werden können“, erklärt Lutz. Neben dem Haus für Wellness und den drei Wohngebäuden mit Zimmertypen in unterschiedlichen Größen, macht ein geräumiges, kaltes Tenn das Ensemble komplett. Darunter befindet sich die Tiefgarage. „Im Tenn lagern Feuerholz und Gartenmöbel, hier kann man auch bei Regen spielen und sich für einen Ausflug die modernsten Simplon-E-Bikes ausleihen“, weiß der Planer.
Konsequente Holzbauweise innen wie außen
Detailverliebt ist auch die Inneneinrichtung, der sich Carmen Can selbst angenommen und auf hochwertige Materialien viel Wert gelegt hat. © Studio Wälder
Das architektonische Konzept wurde von heimischen Handwerkern, zumeist Mitglieder des Werkraum Bregenzerwald, unter der Leitung von Rupert Hammerer
von planDREI in Andelsbuch als Generalunternehmer weiterentwickelt und umgesetzt. Die Holzbauarbeiten setzte die Zimmerei Bilgeri aus Riefensberg um. Während das Konstruktionsholz für die Holz-Mischbauweise aus heimischer Fichte ist, kam für die Innenauskleidung und die Fassaden neben Ulme, Esche und Ahorn vor allem sägeraue Weißtanne zum Einsatz. Im Saunahaus mischt sich auch die duftende Zirbe unter die Holzarten. „Die einzelnen Gebäude wurden der Reihe nach errichtet, was eine gut geplante Taktung für Baumeister und Handwerker erlaubte. Die Bauzeit betrug so zwar etwas länger, aber dadurch wurden die Ressourcen der Handwerker und des Bauplatzes selbst geschont“, weiß Lutz.
Moderne Holzdetails mit Schwung
Jeder Baukörper wurde zudem mit einem Fassadensystem in Holz ausgestattet, das ihn einheitlich in den Ort „hineinaltern“ lässt. Dementsprechend unbehandelt ließ man die Fichtenbretter alle senkrecht angeordnet. „So lässt sich schnell einmal ein beschädigtes Brett austauschen“, fügt Lutz hinzu. Mit der Zeit wird die Außenhülle natürlich grau. Ein Highlight sind sicherlich die Fensterbänder mit den drehbaren Holzlamellen, die sich über alle Gebäude hinwegziehen und der ganzen Gruppe Konsequenz und Ruhe verleihen. „An diesem Detail haben wir sehr lange getüftelt“, verrät der Architekt. Und so findet Lutz auf die Frage, wie man diese denn bediene, auch schnell eine Antwort. Nämlich ohne Elektronik. „Die 30 cm breiten Elemente sind auf zwei Drehbolzen gelagert und können per Hand bewegt werden. Die Lamellen wurden in Gruppen von fünf bis sechs Stück zusammengefasst und drehen sich miteinander. Das vereinfacht die ganze Sache.“ Detailverliebt ist auch die Inneneinrichtung, der sich Carmen Can selbst angenommen und auf hochwertige Materialien – neben Holz und Stein kamen auch Lehm-Kasein-Böden zum Einsatz – viel Wert gelegt hat.
Die Fuchsegg Eco Lodge ist auf nachhaltige Prinzipien aufgebaut. Die komplette Ausstattung wurde im Hinblick auf Ökologie und Wohngesundheit ausgewählt. Neben einer E-Tankstelle in der Tiefgarage und einer Photovoltaikanlage am Dach des Tenn, verfügt das Ensemble auch über einen Anschluss an eine neue Bio-Nahwärmeversorgung mit regionalem Waldhackgut. Luftwärmepumpen und wassersparende Armaturen reduzieren zusätzlich den Verbrauch.
Projektdaten
Standort: Schetteregg
Fertigstellung: 2020
Planung: 2017 bis 2018
Ausführung: 2019 bis 2020
Bauherrschaft: Carmen Can und Heinz Hämmerle
Architektur: Ludescher + Lutz Architekten
Generalunternehmer und Statik: PlanDREI
Holzbau: Zimmerei Bilgeri
Grundstücksgröße: 9846 m²
Bebaute Fläche: 2217 m²