Instabile Holzpreise? Tipps für Zimmerer

Ein Artikel von Stefan Leitner, Reinhold Steinmaurer, Gregor Hohenecker | 23.06.2022 - 16:01

Im Vorjahr erschienen in der Rubrik meta_wissen_holzbau zwei Beiträge (siehe unten) mit notwendigem Wissen über veränderliche Preise, Baukostenindizes, rechtliche und normative Regelungen. Das erste Halbjahr 2022 ist erneut von einer dynamischen Entwicklung bei den Material- und Energiekosten geprägt. In diesem Artikel liefern wir ein Update mit vielen Tipps, Hinweisen und weiteren Informationen zum Thema.

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Die Experten und Autoren dieses Textes: DI (FH) Stefan Leitner, Bildung, holzbau austria; DI Reinhold Steinmaurer, Normenexperte, holzbau austria; DI Gregor Hohenecker, Referent Bundesinnung Holzbau (v.l.n.r.)

 

Krieg = höhere Gewalt, aber:

Die Wirtschaftskammer Österreich stufte die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine  in einer Publikation im März als „Force Majeure“, also höhere Gewalt, ein. Im Allgemeinen erlauben Klauseln über höhere Gewalt einer Partei, die von einem Ereignis betroffen ist, das sich ihrer Kontrolle entzieht, die Erfüllung ihrer Verpflichtungen auszusetzen.

Ein nach Vertragsschluss unerwartet auftretender Krieg kann nach österreichischer Rechtsprechung grundsätzlich einen Fall von höherer Gewalt darstellen. Aber nur, wenn dies tatsächlich die Ursache für das Leistungshindernis ist, können diese Regelungen zur Anwendung kommen. Ob tatsächlich ein Fall von höherer Gewalt vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. Bei Vertragsabschluss bekannte Materialengpässe, werden bei der Bewertung der Rechtsfolgen berücksichtigt.

ÖNORM B 2110/2118 als Vertragsgrundlage

Ereignisse, die die Ausführung der Leistung unmöglich machen oder die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und dem Auftragnehmer nicht zuzumuten sind, sind lt. ÖN B 2110 der Sphäre des Auftraggebers zuzuordnen. Auch Verzögerungen, die aufgrund nicht verfügbarer notwendiger Materialien oder Baustoffe auftreten, sind eher in der Sphäre des Auftraggebers. Dauert die Behinderung länger als drei Monate, sind beide Vertragspartner zum Rücktritt berechtigt. Ob Materialpreissteigerungen auch bei vereinbarten Festpreisen weitergegeben werden können, hängt vor allem von der Vertragsauslegung und davon ab, ob sie unzumutbar sind und unvorhersehbar waren.

Auftragnehmern ist auch in rechtlich unsicheren Situationen zu empfehlen, Ansprüche auf Preisanpassung und Verlängerung der Leistungsfrist im Zweifel schriftlich anzumelden.

ABGB als Vertragsgrundlage

Im Anwendungsbereich des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) können Preissteigerungen und Lieferengpässe aufgrund höherer Gewalt zu einem zeitweiligen Aussetzen der wechselseitigen vertraglichen Pflichten führen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Ereignis und seine Folgen außergewöhnlich und vom Auftragnehmer trotz jeder erdenklichen Sorgfalt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren.

Neue Ausgabe des ÖBV-Leitfadens im März erschienen

Von der Österreichischen Bautechnik-Vereinigung ist im März 2022 eine neue Ausgabe des Leitfadens für Preisveränderungen und Lieferengpässe erschienen. Die Anwendbarkeit wurde mit geringfügigen Adaptionen bis Ende Oktober verlängert. Im ÖBV-Leitfaden wird empfohlen, bei bestehenden Verträgen eine Abänderung des Terminplans oder Materialwechsel zu prüfen. Für zukünftige Projekte wird geraten, im Regelfall zu veränderlichen Preisen mit schwellenloser Preisumrechnung auf der Basis von gewerkspezifischen Baukostenindizes auszuschreiben. Weiters empfiehlt der ÖBV, so früh wie möglich auszuschreiben. Lieferengpässe sollen, wo es möglich ist, in der Ablaufplanung, beispielsweise mit einer Flexibilisierung der Bauzeit mit möglichst wenigen verbindlichen Zwischenterminen, berücksichtigt werden.

Rundschreiben der unabhängigen Schiedskommission

Die unabhängige Schiedskommission beim Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) hat zuletzt im März 2022 empfohlen, bei Verträgen mit öffentlichen Auftraggebern eine Preisgleitung vorzusehen. Das Justizministerium wies bereits im Vorjahr in einer Aussendung darauf hin, dass nach Bundesvergabegesetz bei langfristigen Verträgen und bei Kostenanteilen mit stark schwankenden Preisen zwingend zu veränderlichen Preisen auszuschreiben ist.

WKÖ: Muster für Preisklauseln

Aus Anlass der Preisentwicklung bei diversen Rohstoffen und Vormaterialien wurden in der Wirtschaftskammer Österreich Muster für Preisanpassungsmöglichkeiten ausgearbeitet. Diese stehen sowohl für Verträge zwischen Unternehmen (B2B) als auch für Verträge zwischen Unternehmen mit Konsumenten (B2C) zur Verfügung. Links dazu finden Sie in den Quellen.

Baukostenindex und Subindex „Zimmerer“

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Quellen: preisumrechnung.at, Holzkurier, Fachverband Holzindustrie © holzbau austria

Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) stellt Baukostenveränderungswerte zur Verfügung. Diese bieten für diverse Baugewerbe bzw. -gewerke (Arbeitskategorien) branchenspezifische Indexwerte an. Der Holzbau wird in der Arbeitskategorie „Zimmerer“ abgebildet. Die Materialkosten sind im Anteil „Sonstiges“ enthalten.  Die Kostenveränderungswerte werden zwei Monate im Nachhinein veröffentlicht.

Bevor eine Preisgleitung auf der Grundlage eines Index vereinbart wird, sollte geprüft werden, ob der Index für das jeweilige Bauvorhaben passend ist. Die Autoren empfehlen, die Zusammensetzung des Index mit dem des Warenkorbes des jeweiligen Angebotes/Auftrages zu vergleichen und abzuwägen, ob der Index die Preisveränderungen ausreichend wiedergibt. Alternativ zur Vereinbarung eines Index besteht bei Verträgen zwischen Unternehmen und im Anwendungsbereich der ÖNORMEN B 2110 und 2111 die Möglichkeit, einen objektbezogenen, also individuellen, Warenkorb als Preisgrundlage heranzuziehen.

Alle Angaben erfolgen trotz sorgfältigster Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung des Herausgebers und der Autoren ist ausgeschlossen.

Quellen und weitere Infos

Dieser Beitrag wurde auf der Grundlage der Unterlage „Bauvertragliche Auswirkungen von
Materialpreissteigerungen und Lieferengpässe im Zusammenhang mit dem Krieg in der
Ukraine der Bundesinnungsgruppe Baunebengewerbe der Bundessparte Gewerbe und
Handwerk der Wirtschaftskammer Österreich erstellt, gekürzt und erweitert.

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